Die Entmenschlichung der Wissenschaft
Die moderne Wissenschaft trennt den Menschen von der Wahrheitsfindung ab und maschinisiert, d.h. funktionalisiert ihn als austauschbaren Forscher. Es ist nicht wichtig, wer die Beobachtung macht, denn Beobachtungen, bei denen das wichtig ist, sind nicht wissenschaftlich. Die Abtrennung des Menschen, des subjektiv fühlenden, bewussten Wesens aus der Wahrheitsfindung, basiert auf einer impliziten Vergötterung des Ratio, der Maschine, institutionalisiert im Wissenschaftskonstrukt.
Die Abtrennung des Menschen, des subjektiv fühlenden, bewussten Wesens aus der Wahrheitsfindung, basiert auf einer impliziten Vergötterung des Ratio, der Maschine, institutionalisiert im Wissenschaftskonstrukt.
Der Mensch wird aus der Wissenschaft ausgeklammert, so gut es geht. Es werden Messinstrumente verwendet, die für uns Menschen eine "Vertretungserfahrung" machen, die der Wissenschaftler dann in maschinenhafte Modelle einpflegt. Der Mensch selbst und die direkte Beziehung zum Forschungsgegenstand werden ausgeklammert. Wichtig sind Zahlen und Messmaschinen - der Mensch wäre zu ungenau, zu subjektiv, zu veränderlich. Es braucht komplexe Messinstrumente, um die Wahrheit zu finden. Die Wissenschaftsmaschine erzeugt dann im Nachgang die Wahrheit.
Das führt zu vielschichtigen Problemen. Es liegt darin der Glaube an eine tiefe Unzulänglichkeit des Menschen. Ein Misstrauen dem Menschen und dem Lebendigen gegenüber und ein fast krampfhafter Glaube an das "ewige Gesetz" der Logik. Das ist eine der tiefen Wurzeln der aktuellen Probleme. Ein Misstrauen dem Menschen und dem Leben selbst gegenüber und eine Anbetung des Konzeptes, der Logik, in der Annahme dass dies die fundamentale Grundstruktur der Realität ist.
Mir ist keine Weisheitstradition bekannt, die ein solches Maß an Unmenschlichkeit praktiziert. In den meisten Traditionen ist der Erkenntnisweg ein subjektiver Weg, eine intime, persönliche und dabei doch auch gemeinschaftliche Auseinandersetzung mit den letzten Fragen des Lebens. Er ist untrennbar mit dem eigenen Wesen, dem eigenen Leben und Erleben verwoben. Im Yoga, das auch als Wissenschaft des Bewusstseins bezeichnet wird, geht es ganz implizit um den Praktizierenden in seiner Gesamtheit. Es geht um seinen Lebenswandel, seinen Körper, seinen Geist, um die Welt im Gesamten. Im Vergleich dazu ist die Wissenschaftstradition entmenschlicht. Wer der Forscher ist, ist unwichtig, solange er die Messmaschinen bedient und Papers schreibt. Ich will die Ratio keineswegs schlechtreden, doch wir sollten sie im Kontext der Gesamtheit sehen. Die Wissenschaft ist trotz aller und gerade wegen der Wissenschaftlichkeit ein kollektiver Glaube und wenn wir nun einen solchen Glauben pflegen, scheint es mir sinnvoll, dass er menschlich und lebensbejahend ist. Das ist der aktuelle Glaube nicht.
Die Wissenschaft darf sich erneuern, darf sich rehumanisieren. Fangen wir an.
Comments