Die alltägliche Gewalt des Normalen in der dunklen Moderne
Unbeirrbar in die physikalischen Gesetze eingespannt rast die Maschine, ungeachtet jeglicher Form und Mäßigung ihrem leeren Ziel entgegen. Gewaltvoll reißt das Auto einen Menschen von einem Ort an einen anderen Ort, unzeremoniell, stumpf. Gewaltvoll verändert die Maschine überschnell und ohne Anmut oder Andacht das Gefüge der Dinge, wie sie seit Millionen von Jahren waren.
Basierend auf einer unglaublichen Hybris, die Welt in diesem Mittelalter, das Moderne genannt wird, verstanden zu haben, verändert die Maschine im Geist und in der Physis die Beschaffenheit der Welt. Legt die Grundbausteine völlig neu aus, während der normale Mensch ein stumm schreiender Beobachter der allgegenwärtigen, normalisierten Zerstörung wird. Es herrscht ein Geist, der das Maß verloren hat und die rechte Zeit. Er tanzt nicht mehr mit der Welt sondern vergewaltigt sie, er reißt die Welt vor unseren Augen nieder, während wir gefesselt und geknebelt dasitzen und zuschauen.
“Wir sollten jene Erfolge missachten lernen, die den Raubbau an der Mitwelt bedingen.”
- Emil Baschnonga
Wie normal gewaltvoll ist doch die Normalität? Der LKW auf der Straße donnert fauchend über hunderte Kilometer dahin, Früchte transportierend, die der Erde entrissen wurden. Er transportiert keine Geschenke, sondern Raubgut, mit Gewalt versklavten, degenerierten, manipulierten Pflanzen entnommen. In der ergebnisorientierten, maschinenhaften Weltanschauung der Moderne ist die Pflanze nicht mehr als ein zu manipulierendes Objekt, das dem Zweck eines als notwendig erachteten Produktionsgedankens unterworfen wird. Sie ist eine Maschine, ein Zucker-Geschmack-Vitamin-Lieferant, ein Mittel zur Bedürfniserfüllung, Ware, nicht einmal mehr ein Sklave, der noch fühlen könnte, sondern ein nicht fühlendes, lebloses Objekt und damit Gegenstand der uneingeschränkten Manipulation. Es wird Raubbau an der Welt betrieben, sie wird nach einem Geist geformt und verändert, der uns nicht mehr dient, sondern ein Eigenleben entwickelt hat, ein unaufhaltbares Momentum. Containerschiffe zerren unglaubliche Mengen an Dingen von einem Ort zum Anderen, während kapitalistische Logiken ganze Landstriche in Produktionsstätten verwandeln. Menschen hasten umher, während sie die Welt, die sie unglücklich macht, weiter aufrecht erhalten müssen. Selbst die Atemluft und das Wasser, reine Lebensspender sind mittlerweile von diesem Geist verändert. Die Welt wird in einer atemberaubenden Geschwindigkeit auf eine Weise verändert, die nicht dem Guten und dem Rechtmäßigen und dem Natürlichen entspricht. Ein außer Kontrolle geratener Koloss, der in unser aller Köpfen lebt, doch in der Physis agiert, manipuliert die Welt zur Unkenntlichkeit. In der Logik der Moderne ist die Ausbeutung und Vergewaltigung des Seins bereits enthalten.
Die Menschen spüren das und merken die Härte der Welt. Der inspirierte Geist verlässt diese Welt wie ein sinkendes Schiff, denn diese Weltanschauung dient der dunklen Seite. Zurück bleiben lichtlose Menschenwesen die mehr und mehr den Maschinen ähneln, denen sie dienen.
Man sagt: “Es ist survival of the fittest und Überleben ist hart. Nur der Machtvolle gewinnt.” Doch das ist nicht das, was aus nährt. Dieses Denken selbst ist der Untergang. Dieser Gedanke, eingewoben in die Schöpfungsmythen der Moderne, ist ein Teil von dessen stummer, versteckter, himmelsschreiender Tyrannei. Zusammen mit dem Gedanken der Maschinenhaftigkeit der Existenz und in leidvoller Partnerschaft mit der Gier und der Apathie hat es dieser kollektive Geist geschafft, die Welt und die Menschen wie nie zuvor zu beherrschen.
Doch die Welt darf auch maßvoll sein. Voller Geschenke, die zur rechten Zeit kommen. Voller geordneter Rechtmäßigkeit die keines Leviathan bedarf. Die Welt darf so viel mehr sein als Survival of the Fittest. Sie darf frei sein und kann es in jedem Moment werden. Das ist Hoffnung. Das ist Glaube in der dunklen Nacht der Moderne. Das bedeutet, dass wir den Boden nicht vergewaltigen müssen, damit wir überleben können. Dass wir die Pflanzen nicht beherrschen und ihnen die Früchte stehlen müssen. Dass wir nicht die Schraubzwinge der Maschinisierung an die Existenz anlegen müssen, als wären wir verzweifelte, in die Enge getriebene Beutetiere. Wir dürfen an die Schenkungen des Lebens glauben, die Schenkung des am Leben sein als ersten Beweis dafür nehmend. An das Maßvolle und das Wohlüberlegte. An das Lassen.
Nicht durch unser Tun wird die Welt aushaltbar sondern vielmehr dadurch, dass wir aufhören zu glauben, wir müssten so viel tun.
Es reicht ein nein. Der kollektive Geist der Zerstörung steht und fällt mit unseren Gedanken und Vorstellungen.

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